What are you looking for?

The King Arthur Séance

– On Henry Purcell’s Shoulders [2013]

Premiere Theater an der Wien, January 17, 2014 and Brucknerhaus Linz, Großer Saal
Purcell’s King Arthur updated and retold.
Complete oe1 radio broadcast, CD published by orf
Participants:
Karl Markovics Speaker
Heinz Ferlesch Conductor
Composition/ Electronics/ Text Helmut Jasbar
Original sound ensemble Barucco
Choir Wiener Singakademie

https://www.youtube.com/watch?v=ONc-YnBI9Vs

https://www.youtube.com/watch?v=BKOoZSus_8I

https://www.youtube.com/watch?v=JrBpLMaxi4I

Receptions (German)

Der Standard

Requiem aus der Zukunft

In einer berühmten Karikatur, die Mick Stevens für den New Yorker gezeichnet hat, ist eine desolate Landschaft zu sehen, darin nur ein alter Reifen, eine offene Blechdose und eine leere Flasche. Der Titel „Life without Mozart“, könnte auch „Leben ohne Purcell“ lauten.
Ein postapokalyptischer Erlösungstraum: Eine Schallplatte ist gefunden worden, eine Aufnahme von Purcells Oper „King Arthur“ (vom Deller Consort). Von Untergang, Überleben und wiederaufflammender Hoffnung erzählt Becci, eine Art Anne Frank des 22. Jahrhunderts, mit der Stimme von Karl Markovics. Purcell groovt, klingt kraftvoll, unzerstörbar, voller Lebenslust und Zuversicht, Helmut Jasbar hingegen fächert vielfältige Klangschichten (die Streicher im Barock, die Bläser als Zwischentwitter, der zugespielte Synthesizer als Zerstörungselixier) zu einem Science-Fiction-Oratorium auf. Der Gegensatz ist deprimierend, denn Purcell entstammt der Epoche der Utopie, Jasbar dem Zeitalter der Dystopie. Die beiden ergänzen sich zu einem Soundtrack unserer Phantomschmerzen. Dystopien haben heutzutage Hochkonjunktur. Die Weltuntergangsindustrie floriert, so wie auch die Sicherheits- und die Vermögensverteidigungsindustrie. Es ist, als würde man auf der Titanic schon mal eiskaltes Wasser in die Nobelbadewanne einlassen, um sich reinzulegen. Am Ende überwiegt die schmerzhafte Frage, wieso die Musik von Purcell bei Absolutismus und Katzenwäsche so viel optimistischer ausfällt als jene von Jasbar in Zeiten von Demokratie und Zentralheizung? Wäre dadurch bewiesen, dass der Geist über die Materie obsiegt, oder – postmoderner formuliert – die Neurosen über die Sozialversicherung?
Ein nachdenklich stimmender Abend, der anhand einer fiktiven Wiederentdeckung von Henry Purcell vermittelt, was für ein unglaubliches Geschenk seine Musik ist.
Highlight: Das Originalklangensemble Barucco sowie die Vertonung des Dylan Thomas Gedichts „And Death Shall Have No Dominion“.

Ilija Trojanow, derStandard.at, 05.02.2014

Helmut Jasbars Oper „The King Arthur Seance“

Die apokalyptische Szenerie erinnert an die Terminator-Saga: In einer nicht allzu fernen Zukunft fristet eine Restmenschheit ihr Dasein in einer unterirdischen Fabrik. Die großen Kunstwerke und Kulturgüter sind futsch. Da wird eine Schallplatte gefunden, mit Henry Purcells Musik zu King Arthur. Es gelingt, die Scheibe teilweise abzuhören. Die Kraft der Musik lindert den Hass auf die Vorfahren, man findet untereinander zu einer Einigung.
Die Kraft der Musik – welcherart ist sie eigentlich genau? Sie führt zusammen, sagt Helmut Jasbar. Sei es beim Rockkonzert oder beim Streichquartettabend, Menschen sitzen beieinander, fühlen gemeinsam und schlagen sich nicht die Köpfe ein. Helmut Ferlesch, Gründer des Originalklangensembles Barucco, hatte dem Wiener Gitarristen und Komponisten Purcells Schauspielmusik als Ausgangspunkt für ein Musiktheaterwerk vorgeschlagen. Die erste Reaktion – „Bist deppert? Das Stück ist so perfekt!“ – war bald abgeklungen, und Jasbar fand schnell zur eingangs erwähnten Rahmensituation.
Ist diese nicht sehr pessimistisch? „Das finde ich nicht“, sagt Jasbar. Eigentlich würden wir, wie die Menschen in seinem Stück, in einer riesigen Maschine leben, die wir nicht verstehen. „Wir haben uns in dieser scheppernden Hölle eingerichtet“, sagt er in einem Text zum Stück. Wenn einer den Stecker ziehen würde, sei der Großteil der kollektiven Erinnerung vernichtet. Karl Markovics, der bei der Uraufführung Sprecher sein wird, habe das Stück – der Komponist und Librettist bezeichnet es als „dystopische Science- Fiction-Komödie“ – an Thomas Pynchons Erzählwelten erinnert, sagt Jasbar.
„Wie Ruinen“ hat der 51-Jährige wichtige Teile aus Purcells Musik im neuen Werk belassen; bei seiner eigenen Musik war Jasbar Einfachheit wichtig. Tonale Bezüge herzustellen, eine Synthese von Unterschiedlichem zu finden und „trotzdem intelligent“ zu komponieren, sei die Absicht seines Unterfangens gewesen.

Der Standard, 17.01.2014


Die Presse

Was Oper unseren Erben in 100 Jahren erzählt

Helmut Jasbar hat für das Theater an der Wien und das Linzer Brucknerhaus Henry Purcells „King Arthur“ neu arrangiert: Bei ihm spielt die Artussage nach globalen Katastrophen – unter der Erde.
Es hat ihm keine Ruhe gelassen. Die erste Reaktion von Helmut Jasbar war: „Bist du verrückt geworden?“, die zweite: „Ich hab‘ mir’s überlegt.“ Ausgelöst hat den Gärungsprozess zwischen spontaner Kundgebung und rationaler Entscheidung Heinz Ferlesch, Leiter der Wiener Singakademie, der den Musiker- Komponisten-Entertainer Jasbar um ein Arrangement von Henry Purcells „King Arthur“ bat.
Das war, zugegeben, ein kühnes Ansinnen, denn Purcell hat ziemlich vollkommene Werke hinterlassen, Kompositionen, die nicht erst der Originalklang-Renaissance bedurften, um im kollektiven Musikgedächtnis der Welt als bedeutende Wegmarken der Entfaltung des abendländischen Klanggeistes zu gelten. Dann aber doch: „Ich hab‘ mir’s überlegt.“ Die Auseinandersetzung mit einem Meisterwerk des frühen Musiktheaters zählt für einen Erzmusikanten natürlich zu den besonderen Herausforderungen.
Schon die Form, die Librettist John Dryden und der Komponist gewählt haben, scheint dem hiesigen Opernfreund eine provokante Mischung aus Sprechtheater und Musik. Die berühmteste „Arie“ aus „King Arthur“ ist der sogenannte „Cold Song“. Ihn wussten sogar Popikonen wie Klaus Nomi in ihre Programme zu integrieren.
Jasbar und Ferlesch holen die Sagenwelt um König Artus nun in unsere Zeit, beziehungsweise sie versetzen den Mythos in die Zukunft und lassen ihn unter der Erde spielen. Die Horrorvision zeitgenössischer Kassandren ist eingetreten: Die Erde ist aufgrund globaler Katastrophen unbewohnbar. Die unterirdisch vegetierenden Verbliebenen finden eine alte Vinyl-Schallplatte – und bringen sie mittels eines Fahrrad-Dynamos zum Spielen. Was noch spielbar ist, hört sich an wie Purcell, den fehlenden Rest hat Helmut Jasbar „ergänzt“.
Das reizvolle Spiel um Zukunftsängste, Kulturverlust und Ahnungen vergangener Größe ereignet sich in der vorhandenen Dekoration der laufenden Opernproduktion des Theaters an der Wien. „Gottlob fanden wir da keine blühende Wiese vor“, sagt Jasbar, „sondern etwas, was durchaus wie ein Bunker von innen aussieht.“
Darin wickelt sich die konzertante, aber die Fantasie gewiss anregende Aufführung der Neudeutung des „King Arthur“ ab. Karl Markovic ist der lesende Erzähler. Zwecks Erläuterung der Handlung gibt es den Abt eines Ordens, der weiß, dass die König-Artus-Sage bei der Gründung seiner Gemeinschaft „vor 100 Jahren“ – also heute! – eine Rolle gespielt hat; und das Tagebuch eines Mädchens, das den „Untergang“ mit eigenen Augen gesehen hat und ihn zu beschreiben wusste.
Wer sich nun daran erinnert, dass Helmut Jasbar vor nicht allzu langer Zeit mit Katharina Straßer und Cornelius Obonya zur Endzeitrevue unter dem Motto „Keiner kommt hier lebend raus“ geladen hat, darf beruhigt sein: Auch damals ist man noch einmal mit heiler Haut und recht animiert davongekommen…

Wilhelm Sinkovicz, Die Presse, 16.01.2014

„The King Arthur Seance“: Wagemutig, aber partiell befremdend

Das Jahr 2175: Die Erdoberfläche ist eine lebensfeindliche Umgebung. Die Luft ist vergiftet, und die Meere sind toxische Brühen. Als letzte Zufluchtsstätte bauten die Menschen die unterirdische Stadt New Portland, in der Maschinen das Überleben der Menschheit sichern. Helmut Jasbar setzt die Handlung in ein pessimistisches Zukunftsszenario, in dem blühende Wiesen und klare Bäche der Vergangenheit angehören.
Dass am Mittwoch „I due Foscari“ Premiere hatte, erwies sich als glücklicher Zufall. Das Bühnenbild der Verdi-Oper – bunkerartige Betonwände verbunden mit einer Stahlbrücke – war auch für Jasbars konzertant aufgeführte Oper ein adäquater Hintergrund. Durch das Geschehen führten Notizen der vierzehnjährigen Stadtschreiberin Rebecca, von Karl Markovics so dramatisch vorgetragen, dass die Bezeichnung „Sprecher“ als Understatement zu verstehen ist.
Jasbar versucht seine Texte mit dem Originallibretto zu verbinden, was manchmal zu gewollt wirkt. So beschreibt etwa der Text vor „How blest are the shepherds“ Schafe in Kinderbüchern, die die einzigen Aufzeichnungen über die vor langer Zeit untergegangene Natur sind.
Eine Schallplatte als Hoffnungsträger Die triste Stimmung der Unterwelt wird durch den Fund einer Aufnahme von Henry Purcells „King Arthur“ etwas aufgehellt. Mithilfe eines Fahrraddynamos ließen die Unterweltmenschen „Come if you dare“ erklingen. Jasbars musikalische Abwandlungen der barocken Musik waren sind oft interessant. Vor der berühmten Frostszene beschreibt er die Werke des Teufels mittels lauter elektronischer Beats. Die Arie selbst weitet er stark aus. Die Streicherbegleitung lässt er in Endlosschleife spielen, die Holzbläser sorgen für einen schwer zu deutenden Klangmix, während Bass Matthias Helm solid „What power art thou“ interpretiert. Blasphemie? In Jürgen Flimms „King Arthur“-Aufführung der Salzburger Festspiele 2004 trug ein schlotternder Pinguin die Arie vor . . .
Manche von Jasbars musikalischen „Umbauten“ wirken allerdings befremdend. Zu oft wandeln sich die barocken Arien und Choräle in ein schwer zu definierendes Klangwirrwarr. Pochende Sonargeräusche, Dauerwiederholungen als Zeichen eines Rillensprungs in der Platte, Kratzgeräusche der Streicher: Nach einiger Zeit steigt im Hörer das Verlangen nach reiner Barockmusik.
Heinz Ferlesch führte das Ensemble Barucco souverän, auch dort, wo er erschwerend auf die eingespielten Tonbänder Rücksicht nehmen musste. Das Ensemble liefert authentischen barocken Klang und lässt sich nicht von den modernen Einwürfen Jasbars irritieren.
Der Kammerchor der Wiener Singakademie überzeugt sowohl bei barocken Chorälen als auch bei Schrei und Flüstereffekten. Altus Markus Forster kann sich zeitweise gegen die Frauenstimmen nicht durchsetzen. Man hat schon Countertenöre mit mehr Volumen am Theater an der Wien gehört. Maria Erlacher überzeugte als Sopran mit Stimmkraft vor allem in der Höhe und übert.nte die anfangs zu gedämpft singende zweite Sopranistin Ursula Langmayer.
Herausragend: Tenor Daniel Johannsen. Der gefragte Bach-Interpret singt exakt, rein und empfindsam ohne Übertreibungen. Der zwiespältige, doch insgesamt spannende Abend ist morgen, Dienstagabend, nochmals im Brucknerhaus Linz zu erleben.

Stefan Posch, Die Presse, 20.01.2014


tips.at

Semi-Oper von Henri Purcell: King Arthur

Linz. Schauspiel, Musik, Tanz und Spektakel verknüpft die Semi-Oper „King Arthur“ von Henry Purcell, die am Dienstag, 21. Jänner, um 19.30 Uhr im Brucknerhaus gezeigt wird. Der Komponist Helmut Jasbar hat das Werk durch zeitgenössische Elemente aus den Bereichen der E-Musik ergänzt.
Karl Markovics liest aus dem Journal eines vierzehnjährigen Mädchens, ein Tagebuch, das vom Schicksal einer kleinen Gruppe Überlebender erzählt, in deren Mittelpunkt ein moderner „König Arthur“ steht. Durch die konzertante Aufführung in englischer und deutscher Sprache führen unter dem Titel „The King Arthur Seance – On Henry Purcell´s Shoulders“ das Originalklangensemble Barucco, der Wiener Singakademie Kammerchor, fünf Solisten und Dirigent Heinz Ferlesch.
Die Aufführung findet in der Zukunft statt. Einhundert Jahre nach der Gründung des postapokalyptischen Ordens „Brüder und Schwestern der ersten Tage“ gedenken die Versammelten den historischen Ereignissen im postapokalyptischen Dunkel, als es nach Jahrzehnten der Verzweiflung erstmals wieder Hoffnung gab.
Abt Karl Markovics liest aus dem historischen Tagebuch von Becci, einem vierzehnjährigen Mädchen, dass Zeitzeugin dieser Ereignisse war. „King Arthur“ ist der große Sohn aus den ersten Tagen dieses Ordens. Beccis und Arthurs Kraft und Zuversicht und die (auf einer alten Schallplatte) wieder hörbar gemachte Musik von Henry Purcell erfüllen die Überlebenden mit neuer Hoffnung.

Die Komposition

Helmut Jasbars Neudeutung besucht Henry Purcell und ergänzt seinen „King Arthur“ durch zeitgenössische Elemente aus den Bereichen der E-Musik und der Elektronik. Die Klangfarben von Soundscapes, Solisten, Barockorchester und Chor vereinen sich auf eine neue, fesselnde Art, die intensive Klangeindrücke ermöglichen. Wird man sich der Vergänglichkeit der Musik bewusst, erneuert sich unsere Wertschätzung, vielleicht lassen wir uns wieder von den vergessenen Visionen der historischen Musik fesseln. Die Arie des „Cold Genius“ wird aufgewertet und zeigt sich in mehreren Variationen. Durch Hinzufügen neuer Klangfarben und neu komponierter Interludien entsteht eine Neuinterpretation.

Christina-Anna Stenz, tips.at, 13.01.2014


operinwien.at

„King Arthur im Jahre 2276“

Das Theater an der Wien lud Freitagabend zu einer konzertant gegebenen Uraufführung. Gespielt wurde die neue „Oper“ von Helmut Jasbar „The King Arthur Seance – On Henry Purcell’s Shoulders“.
Was wäre, wenn die Menschen vor einer zerstörten Umwelt in Bunker unter die Erdoberfläche fliehen müssten, um ihr Überleben zu sichern? Was wäre, wenn sie nach Jahrzehnten im Untergrund eine Schallplatte mit Henry Purcells Musik zu „King Arthur“ fänden? Diesen Fragen bilden die Ausgangsbasis für „The King Arthur Seance – On Henry Purcell’s Shoulders“.
Nun kann eingewendet werden, dass das Jahr 2276, in dem die Menschen dieses Librettos unterirdisch in „New Portland“ dahinvegetieren und vom Funktionieren der Recycling- und Ernährungsmaschinen abhänging sind, wenig mit dem Briten King Arthur zu tun hat, der sich einst in John Drydens von Purcell musikalisch „aufgefettetem“ Theaterstück mit den Sachsen herumbalgen musste. Genauso gut hätten diese Menschen eine Schallplatte von „The Fairy Queen“ finden können oder von einem irgendeinem anderen Komponisten.
Den Verdacht, dass hier die Science-Fiction-Story als Aufhänger für ein leicht verfremdendes „Purcell“- Arrangement herhalten musste, bestätigt nicht nur ein Zitat des Komponisten im Programmheft, in dem er schreibt: „Als Komponist musste ich mir zunächst eine Umgebung erfinden, die es mir ermöglichte, in die Musik von Henry Purcell einzugreifen.“ Schon Zeitungsmeldungen im Vorfeld war zu entnehmen, dass der Dirigent des Abends, Helmut Ferlesch, den Komponisten um ein Purcell-Arrangement gebeten habe.
Jasbar hat diesen Vorschlag aufgenommen und „auf den Schultern“ von Purcell stehend, ein neues „Musiktheaterstück“ geschrieben, das Musiknummern aus „King Arthur“ mit der schon angesprochenen negativen Utopie zusammenbringt. Der Inhalt dieser neuen „Oper“ ist in etwa folgender: Sie geht von einer Rahmenhandlung aus, in der sich die Bewohner dieser Menschheitsenklave in New Portland zu einer Versammlung treffen. In dieser Versammlung wird die Musik der Purcell-Schallplatte gespielt und es werden Auszüge aus einem Tagebuch aus den Jahren 2175/76 verlesen, das von einer 14-jährigen verfasst worden ist.
Das Mädchen schildert zu Beginn den Tod ihres Vaters, den sie nicht verhindern konnte und bei dem sie selbst verstrahlt worden ist. Ihr Vater war, wie viele andere auch, durch die Schleuse „nach draußen gegangen“, hatte den Schutz der Gewölbe verlassen in dem Wahn, man habe durch die Schleusenluke ein Tier gesehen und die Erdoberfläche sei wieder bewohnbar geworden. Die Tagebuchschreiberin schildert den Fund der Schallplatte, sie schildert, wie dieser Fund dazu führt, dass sich die zerstrittenen Parteien
der Überlebenden unter der Führung von Tom, den die Schreiberin später „King Arthur“ nennt, einigen. Am Schluss der Versammlung – der in dieser Aufführung Karl Markovics als engagierter „Sprecher“ vorstand – wird den Anwesenden mitgeteilt, man habe durch die Schleusenluke einen Vogel gesehen. Wahnbild oder Wahrheit? Mit diesem offenen Ende wird das Publikum entlassen.
Literarische oder filmische Untergangsphantasien, in denen sich die Menschheit von einer unbewohnbar gewordenen Erdoberfläche „irgendwohin“ flüchtet, sind nicht gerade neu. Eine solche Geschichte auf eine „Semi-Oper“ aus dem 17. Jahrhundert zu schrauben, ist ein gewagtes Unterfangen. Der (theater- )historische Kontext von Purcell spielt hier keine Rolle mehr, Purcells Musik wurde behandelt wie ein „Artefakt“. Verändert wurde außerdem die Reihenfolge der einzelnen Nummern, offenbar um sie dem Inhalt der Tagebucheintragungen anzupassen.
Doch Jasbar ist kein „Bilderstürmer“. In seinen Ausführungen im Programmheft betont der Komponist, dass er bei seiner Purcell-Bearbeitung nie auf „Grenzüberschreitung“ aus war, weil es „mittlerweile mehr Grenzüberschreitungen als Grenzen“ gäbe. In diesem Sinne – so meine Interpretation – übt „The King Arthur Seance – On Henry Purcell’s Shoulders“ sogar Kritik an zu exzessiv betriebenen künstlerischen Grenzüberscheitungen, die einer aus den Angeln gehobenen menschlichen Lebenswelt entspringen, in der sich viele Menschen jedoch nach der Gleichung „schön = gut“ zurücksehnen. Jasbar nennt seine ziemlich handzahme Purcell-„Paraphrase“ denn auch eine: „Musik der Befriedung“.
Im Tagebuch ist einmal die Rede davon, welche Bedeutung bunt illustrierte, alte Kinderbücher für die in düsteren Maschinengängen lebende Menschheit haben. Die Tagebuchschreiberin notierte: „Es macht mich froh zu wissen, dass die Welt einmal schön war.“ Bezogen auf die Aufführung könnte man diesen Satz leicht abwandeln: „Es macht mich froh zu wissen, dass die Musik einmal schön war.“ Jasbar und sein Auftraggeber leben einen „Romantizismus“ aus, der die Gefahr in sich birgt, dass er recht schnell als zu oberflächlich und als zu risikolos beurteilt wird – auch wenn er hübsch anzuhören ist.
Doch nun zur Aufführung: Das Originalklangorchester Barucco unter Heinz Ferlesch sorgte für stimmigen Purcell-Sound und oszillierte zwischen viel Barock und einer „minimalistisch“ angehauchten Moderne. Ein Chor und vier Solisten steuerten gepflegt und stilgerecht den Gesangspart bei. Nur manchmal überschritt die Musik die Grenze des „Arrangements“ und ließ sich auf deutliche Brüche ein: etwa als das Orchester eine „hängende Schallplatte“ simulierte und ein bisserl zu „scratchen“ begann oder als eine elektronische Zuspielung bedrohliches Grollen einwarf. Die Tagebucheintragung, die von einer großen Unruhe unter den Menschen kündete, vom teuflischen Ansinnen einiger, das „heilige“ Schallplatten-Relikt zu zerstören, wurde von einem eingespielten beatartigem Rhythmus begleitet und die Bläser im Orchester begannen bald darauf aufgeregt zu „schnattern“.
Die konzertante Aufführung fand bei offener Bühne statt, die den düsteren Spielraum der aktuell am Theater an der Wien gezeigten Produktion von „I due Foscari“ zeigte. Das Publikum im gut besuchten Haus (Purcell zieht immer) spendete nach eineinhalb pausenlosen Stunden viel Beifall plus einer Missfallensbezeugung.

Dominik Troger, operinwien.at, 18.01.2014


Neues Volksblatt

Karl Markovics als „King Arthur“ im Brucknerhaus

Das Originalklang-Ensemble Barucco unter der Leitung von Heinz Ferlesch und der Kammerchor der Wiener Singakademie kamen mit einer interessanten Mischung von Alter und Neuer Musik ins Brucknerhaus. Schauspieler Karl Markovics war der lesende Gestalter und zugleich dramatische Darsteller einer Tagebuchgeschichte, deren Inhalt apokalyptische Zukunftsvisionen aufzeigte und die wenigen Überlebenden in schaurigen Situationen schilderte — im Mittelpunkt ein moderner König Arthur. Die Musik besteht aus Fragmenten eines Singspiels von Henry Purcell mit Namen „King Arthur“ — in bekannt barocker Manier erklingen zuerst wunderbare Arien und Ensemblegesänge. Diese sind den bravourösen Solisten Maria Erlacher, Ursula Langmayr (beide Sopran), Markus Forster (Altus), Daniel Johannsen (Tenor) und Matthias Helm (Bass) anvertraut. Als Ergänzung der Musik in die Jetztzeit erlaubte sich Komponist, Autor und Radiomacher Helmut Jasbar eine Neudeutung mit zeitgenössischen Elementen aus dem Bereich der E-Musik und der Elektronik. Die Klangfarben von Soundscapes, der wunderbar klingende Chor, Solisten und das Barockorchester mit Originalinstrumenten vereinigten sich auf eine neue, fesselnde Art — zu sich allmählich wandelnden Klangeindrücken. Man schwebte als Zuhörer immer wieder zwischen Henry Purcell und Elektronik hin und her — wurde in jedem Moment von neuen Klängen überrascht. Im
gut besuchten Großen Saal des Brucknerhauses kam nach rund 80-minütiger Dauer große Begeisterung auf.

Christine Grubauer, Neues Volksblatt, 23.01.2014


Kronen Zeitung

Barockmusik trifft auf Neuzeit

„The King Arthur Seance – On Henry Purcell’s Shoulders“ nennt sich ein extravagantes, satte 90 Minuten dauerndes und von der überaus freundlich gesinnten Zuhörerschaft im Linzer Brucknerhaus überschwänglich akklamiertes Musikstück. Ein Sonderkonzert zwischen barocken Elementen und Elektro- Akustik.
Eine Oper? Eine Kantate? Ein Oratorium? Die Story des Stückes wird als Tagebuchaufzeichnung eines 14- jährigen Mädchens verlesen – und dennoch spielt die konkrete Handlung weit in der Zukunft. Schwierig!
Ausführende waren das unter der Leitung des überragenden Heinz Ferlesch stehende stilkorrekte „Originalklangensemble Barucco“, der in Intonationsgestaltung, Artikulation und Dynamik bewundernswerte Kammerchor der Wiener Singakademie sowie ein erlesenes Vokalsolisten-Quintett.
Dazu gesellte sich der abwechselnd schlicht referierende, dramatisch ausbrechende und auch explosiv knallige, leider nicht immer textdeutliche Sprecher Karl Markovics. Die Komposition von Helmut Jasbar entpuppte sich als überraschend problemloses Ineinander barocker und neuzeitlicher Elemente, die gekonnt mit ornamentalen, virtuosen und elektro-akustischen Faktoren wirksam wurden.

Kronen Zeitung, 23.01.2014


Oberösterreichische Nachrichten

Endzeitszenario mit Fragezeichen

Viel Applaus für eine grandiose Umsetzung eines – was die Idee, die Mittel und das Ziel anbelangt – fragwürdigen Opernprojekts von Helmut Jasbar im Brucknerhaus: Ausgangspunkt war der Wunsch des Dirigenten nach einer Purcell-Bearbeitung. Schnell fiel die Wahl auf die Schauspielmusik zu „King Arthur“, und schon schien in Autor und Komponist Jasbar ein Endzeitszenario zur dramatischen Realität zu wachsen.
Verstrahlte Welt im Jahr 2276
2276 wird im Andenken an die 100 Jahre zurückliegende Gründung des Ordens der Brüder und Schwestern der ersten Tage gedacht. Eine Gründung in der fiktiven unterirdischen Stadt New Portland, in der die Menschen nach einer apokalyptischen Katastrophe ihr Überleben den Maschinen verdanken. Die Welt ist verstrahlt und alles zerstört.
Als einziges Relikt einstiger künstlerischer Identität überlebte eine Schallplatte mit Purcells „King Arthur“- Musik, die es schafft, die Eingebunkerten zu befrieden. Verlesen wird zu diesem Jahrestag das Tagebuch einer 14-Jährigen, die zusehen musste, wie ihr Vater den sicheren Bunker verließ. Sie selbst wurde dabei verstrahlt. Eine sicherlich packend erzählte Endzeitgeschichte, die ihre Wirkung in erster Linie durch die beeindruckende Umsetzung durch Karl Markovics erhielt, jedoch in ihrer plattitüdenhaften Direktheit eher befremdlich wirkte. Auch vielleicht deshalb, weil sich die apokalyptische Endzeitstimmung im Großen Saal fortsetzte, der wieder äußerst spärlich besetzt war. Was bleibt davon einmal über? Weiß man in 262 Jahren noch, dass es Musik gegeben hat? Gibt es noch ein Brucknerhaus?
Zurück zum Stück. Jasbar setzt sich auf die Schulter Purcells – so auch der Untertitel „On Henry Purcell’s Shoulders“ – und mischt Barockes mit einer meist sehr zahmen Moderne, nimmt Material Purcells auf, um es neu zu interpretieren, zu variieren oder in kollektiver Improvisation aufzulösen. Sehr voraussagbar, wenig überraschend und fast ein wenig zu beliebig. Was ist das Ziel? Aufzurütteln? Untergangsszenarien gibt es fast jeden Abend in pseudowissenschaftlicher Form auf irgendwelchen Infotainmentkanälen – ist da ein künstlerisches Nachhaken auf diese Art wirklich notwendig?
Famos klangschön
Und dennoch hat das In-sich-Fragwürdige das Publikum bewegt. Das lag aber auch am unglaublich präzise und zugleich flexibel agierenden Originalklangensemble Barucco, dem famos klangschön singenden und sich bis zur expressiven Explosion steigernden Wiener Singakademie Kammerchor und an Heinz Ferlesch, der Jasbars Klanginstallationen beeindruckend inszenierte. Neben dem fulminanten Markovics ergänzten Maria Erlacher und Ursula Langmayr (Sopran), Markus Förster (Altus), Daniel Johansen (Tenor) und Matthias Helm (Bass) ebenso beeindruckend das Ensemble.

Michael Wruss, Oberösterreichische Nachrichten, 23.01.2014

 

Cookie
Let us know you to agree to cookies.
We use cookies to provide you the best online experience. Please let us know if you agree with our Privacy policy.
Back Top